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Bad Jews

„Angesichts der Vorgeschichte will nicht nur Daphna den Anhänger haben. Auch andere Verwandte erheben Anspruch […]. Dieser Streit bildet den Hintergrund für Joshua Harmons dunkle Komödie „Bad Jews“, die nun in einer sehenswerten Inszenierung von Jonathan Fox im English Theatre Frankfurt erstmals in Deutschland zu sehen ist.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung

„In einer fast genialischen Spielplangestaltung folgt im English Theatre Frankfurt auf Ayad Akhtars „Disgraced“ jetzt Joshua Harmons „Bad Jews“ […] Man darf nicht verpassen, wie Eden Malyn und Adam Silver durch ihre Monologe galoppieren (Szenenapplaus), und schon gar nicht, wie Stephanie Burden versucht „Summertime“ zu singen. Das kommt an die Kategorie Unvergesslich heran.“
Frankfurter Rundschau

„Exzellente Schauspieler sind zu erleben. Jeder stellt seine Darstellung ganz in den Dienst des vielschichtigen Stücks.“ Frankfurter Neue Presse

„Umjubelte Deutschlandpremiere… mit einem großartigen Ensemble.“ Journal Frankfurt

„Allerfeinste Theaterunterhaltung. […] Abgründig und wunderbar leicht. […] Unbedingt sehenswert.“ Main Echo

Frankfurter Allgemeine Zeitung

17. May 2016 Von Christian Riethmüller

Wer Verwandtschaft hat, braucht keine Feinde

Eine schrecklich nette Familie: Joshua Harmons dunkle Komödie „Bad Jews“ im English Theatre Frankfurt.

Von zärtlicher Cousine keine Spur. Die Studentin Daphne (Eden Malyn) hat vielmehr Haare auf den Zähnen, die im übrigen in Konkurrenz zu ihrer gewaltigen Lockenpracht treten könnten. Vor ihrer scharfen Zunge ist niemand sicher. Auch nicht ihre Verwandtschaft. Denn Daphne will erben. Ein Schmuckstück aus dem Nachlass ihres verstorbenen Großvaters ist ihr Begehr, nicht irgendeines, sondern dessen goldener Chai-Anhänger, jüdisches Symbol für das Leben. Diesen Anhänger hatte „Poppy“, ein Holocaust-Überlebender, durch die Konzentrationslager retten können und nach dem Zweiten Weltkrieg als seinen einzigen Besitz mit in seine neue Heimat Amerika gebracht.

Angesichts dieser Vorgeschichte will nicht nur Daphne den Anhänger gerne haben. Auch andere Verwandte erheben Anspruch, etwa Daphnes Vetter Liam (Adam Silver), was einen zünftigen Erbschaftsstreit zur Folge hat. Dieser Streit bildet den Hintergrund für Joshua Harmons dunkle Komödie „Bad Jews“, die nun in einer sehenswerten Inszenierung von Jonathan Fox im English Theatre Frankfurt erstmals in Deutschland zu sehen ist. Die Produktion ist in Zusammenarbeit mit der Ensemble Theatre Company of Santa Barbara entstanden und präsentiert seit längerer Zeit mal wieder ein rein amerikanisches Ensemble auf der Theaterbühne an der Gallusanlage.

Dort entführt Charlie Cocorans Bühnenbild in ein kleines Apartment in New York, das Schauplatz der Familienkrise ist. Die Wohnung mit Hudson-Blick gehört der begüterten Familie von Liam und dessen jüngerem Bruder Jonah (Cory Kahane) und bietet nach Poppys Beisetzung auch Daphna eine Übernachtungsmöglichkeit. Die hat eigentlich gar keine rechte Lust, Zeit mit ihren Vettern zu verbringen, will aber den zurückhaltenden Jonah in der Erbschaftsangelegenheit auf ihre Seite ziehen.

Warum Poppys Enkelkinder untereinander nicht viel miteinander anfangen können, lässt Harmon in seinem 2012 in New York uraufgeführten und danach auf etlichen Bühnen in den Vereinigten Staaten inszenierten Stück sehr schnell aufscheinen. Daphna ist überaus religiös, den Traditionen verhaftet und trägt ihren jüdischen Glauben wie eine Auszeichnung vor sich her. Der indifferente Jonah dagegen scheint sich aus Traditionen nicht viel zu machen und versteckt sich lieber hinter seinem Laptop. Der selbstverliebte Liam wiederum distanziert sich von den jüdischen Traditionen und beschreibt sich selbst als „bad jew“. Das würde Daphna sofort unterschreiben, schaffte es Liam doch tatsächlich, Großvaters Beerdigung zu verpassen, weil er und seine Freundin Melody (Stephanie Burden) nicht rechtzeitig aus dem Skiurlaub zurückkehrten. Dafür hatte Liam aber schon Poppys Chai-Anhänger in seinem Besitz gebracht, mit dem er als Geschenk um die Hand seiner nichtjüdischen Liebsten anhalten wollte. Asl Daphna davon erfährt, sieht sie rot.

Den Streit um das Familienerbstück hat Harmon geschickt als Metapher für den tiefer gehenden Konflikt um den Umgang mit dem kulturellen Erbe verwendet, wie er nicht nur einzelne Familien, sondern ganz grundsätzlich pluralistische Gesellschaften betrifft. Dienen Riten und Gebräuche der Bewahrung einer Identität, oder untermauern sie eine Engstirnigkeit, die den Fortlauf der Menschheitsgeschichte nicht erkennen will? Vor allem Daphna und Liam führen darüber erregte Streitgespräche, die Harmon als intellektuelle, sehr geistreiche Fechtkämpfe angelegt hat. Er verweist dabei auf die Kraft des Arguments, wie sie beide Protagonisten als Studenten an elitären Hochschulen in ihren Debattierclubs trainiert haben dürften, greift aber auch die gelehrten Streitigkeiten jüdischer Geistlicher über die Auslegung des Talmuds auf. Die beiden sehr überzeugend auftretenden Streithähne fallen sich daher bei allem Gebrüll auch nicht ins Wort, was manchmal den Eindruck entstehen lässt, Malyn und Silva würden manchmal inne halten und Texte deklamieren. Dies ist allerdings dem gedrosselten Tempo geschuldet, das sich die Darsteller allen nichtmuttersprachlichen Besuchern zuliebe verordnet haben. So lässt sich besonders deutlich nachvollziehen, wie genüsslich etwa Daphna die naive Melody geradezu seziert oder sie bei Jonah intrigieren möchte, um nur den Chai-Anhänger zu erhalten. Diese Anflüge einer gewissen Grausamkeit bei einer doch eigentlich integren Person werfen die Frage auf, wer in diesem Spiel nun eigentlich „the good, the gad and the ugly“ ist. Über die Antworten darauf dürfte man vermutlich sehr lange zu debattieren haben.

Frankfurter Rundschau

17. May 2016, Von Judith von Sternburg

Und Melody aus Delaware singt dazu

Das English Theatre Frankfurt zeigt die wirklich sehr komische und auch ungezogene Komödie „Bad Jews“ von Joshua Harmon in einer ausgezeichneten US-Produktion. Das Erfolgsstück ist erstmals in Deutschland zu sehen.

In einer fast schon genialischen Spielplangestaltung folgt im English Theatre Frankfurt auf Ayad Akhtars „Disgraced“ jetzt Joshua Harmons „Bad Jews“: Auf die Klischees – und die Wahrheiten hinter den Klischees – vom muslimischen Amerikaner, der nicht aus seiner Haut kann, die Klischees – und Wahrheiten – vom jüdischen Amerikaner, dem es bei Harmon nicht so anders ergeht.

„Bad Jews“ wird in den USA ohnehin, längst aber auch international viel gespielt. Als es 2015 nach London kam, lehnte die Londoner U-Bahn die Plakatwerbung dafür ab. Das ist ein komplizierter Fall (wegen der rechtlichen Situation der Londoner U-Bahn-Reklame), aber interessant, weil es von der Verlegenheit auch in England berichtet, „Bad Jews“ auf einem grellen Plakat zu lesen. Falls es darum ging. Vermutlich ging es darum, meinte auch Harmon und erklärte, das „bad“ hier ja nicht „übel“ meine, sondern „unfolgsam“.

In der Tat. Anlässlich der Beerdigung des Großvaters, eines Holocaust-Opfers, treffen sich drei Enkel im hippen Apartment des Jüngsten in New York (in Frankfurt mit schicker Aussicht gestaltet von Charlie Corcoran). Jonah (Cory Kahane) sagt am liebsten nichts; Cousine Daphna (Eden Malyn) sagt am liebsten ununterbrochen etwas und bekennt sich energisch zu ihren jüdischen Wurzeln; Jonahs Bruder Liam (Adam Silver) kommt offenbar wie immer zu spät, hat eine irrsinnig blonde Freundin aus Delaware dabei (Stephanie Burden) und ist ein Atheist und bekennender Verächter aller jüdischen Riten. Gleichwohl: Aus unterschiedlichen Gründen beanspruchen beide das „Chai“ des Verstorbenen für sich, einen Schmuckanhänger, den der Großvater im KZ bewahren konnte und der Daphna religiös und Liam privat viel bedeutet.

„Do not holocaust me“

Es entwickelt sich daraus eine klassische, aber auch ziemlich originell ausgeformte Konfrontation. Viele Rechnungen sind hier ohnehin schon offen, und nachher wird Regisseur Jonathan Fox auch durchaus zulassen, dass man sich würgt und an den Haaren zieht. „Do not holocaust me“, wird Liam rufen, Menschen werden weinen, und auch die einzige Nichtjüdin der Runde, die irrsinnig blonde Melody, wird schließlich die Nerven verlieren. Und das Publikum den Glauben daran, dass Liam mit ihr glücklich werden kann.

Denn „Bad Jews“ ist sehr komisch, aber es ist auch bitterböse. Die bitterböse Seite geht dabei – abgesehen von Melody, Melody ist ein Knaller – deutlich weniger gut auf als in „Disgraced“. Das liegt nicht daran, dass Harmon sich vor Wahrheiten oder möglichen Wahrheiten fürchten würde, das ist eher ein rein dramaturgisches Problem (und spricht auch eher einfach für die Qualität von „Disgraced“).

Und die Schwächen spielen auch keine Rolle mehr angesichts der wirklich brillanten und brillant geführten Darsteller in dieser Koproduktion mit der Ensemble Theatre Company of Santa Barbara. Wer in „Disgraced“ betrübt darüber war, Briten beim Amerikaner-Spielen zuzusehen, wird diesmal keinen Grund zur Klage haben. Man darf nicht verpassen, wie Eden Malyn und Adam Silver durch ihre Monologe galoppieren (Szenenapplaus), und schon gar nicht, wie Stephanie Burden versucht „Summertime“ zu singen. Das kommt an die Kategorie Unvergesslich heran.

Frankfurter Neue Presse

17. May 2016, Von Thomas Ungeheuer

Plötzlich ist es mit der Trauer vorbei

Im „English Theatre“ Frankfurt feierte Joshua Harmons tragische Komödie „Bad Jews“ unter der Regie von Jonathan Fox eine begeisternde Deutschlandpremiere

Was mag dieses Apartment in Manhattan gekostet haben? Daphna (Eden Malyn) ist beeindruckt von dem luxuriösen „Studio“, wie es ihr Cousin Jonah (Cory Kahane) nennt. Daphna wird wohl nie in solchem Ambiente leben können.

Sie ist ein Einzelkind, weil ihre Eltern sich kein zweites Kind haben leisten können. Die junge, gebildete Frau ist zu Besuch bei Jonah, weil der geliebte Großvater, ein Überlebender des Holocaust, gestorben ist. Rund 400 Trauergäste sind zu dessen Begräbnis gekommen. Nur Jonahs Bruder Liam (Adam Silver) hat es nicht rechtzeitig geschafft. Erst jetzt kehrt er aus dem Urlaub zurück und will bei Jonah übernachten. Unerwartet hat er seine neue Freundin Melody (Stephanie Burden) mitgebracht. Sie ist die einzige der Vier, die keine jüdischen Eltern hat. Daphna widerstrebt dies. Schnell erkennt sie, dass die Blondine naiv und ungebildet ist, und behandelt das Dummchen entsprechend herablassend. Das ärgert den Choleriker Liam. Daphna aber will eine Halskette aus dem Erbe..

Es ist nicht die große Geschichte, die Joshua Harmon in dem Einakter „Bad Jews“ erzählen will. Das Geschehen, das US-Regisseur Jonathan Fox in anderthalb Stunden inszeniert, könnte sich in der Wirklichkeit ganz ähnlich abspielen. Nicht die Entwicklung der unterschiedlichen Figuren steht im Vordergrund, sondern einzelne Charaktere. Joshua Harmon erweist sich nicht nur als sehr genauer Beobachter. Er ist vor allem ein höchst geschickter Autor, der Daphna raffiniert in den Mittelpunkt seines Stückes stellt. Als sprachgewandte Frau kann sie unaufdringlich dem Zuschauer einiges über das Judentum nahebringen.

Wie nebenbei verbindet Joshua Harmon dies mit Konflikten, die in der ebenso spannenden wie humorvollen Inszenierung nicht nur mit präzisen Worten, sondern auch sehr plastisch ausgetragen werden. Exzellente Schauspieler sind zu erleben. Jeder stellt seine Darstellung ganz in den Dienst des vielschichtigen Stücks. Auch wenn Eden Malyn als Daphna die größte Sprechrolle innehat, bleiben alle Akteure stets sehr präsent auf der von Charlie Corcoran gestalteten Bühne.

Journal Frankfurt

17. May 2016, Von Nicole Brevoord

Ein bitterböser Streit der Erben um Religion

Am Freitag fand die umjubelte Deutschlandpremiere von Joshua Harmons Erstlingswerk “Bad Jews” im English Theatre statt. Auf der Bühne ging es verbal und handgreiflich zur Sache – mit einem großartigen Ensemble.

Lassen Sie sich von dem provozierenden Titel “Bad Jews” der satirischen Geschichte von Joshua Harmon nicht verunsichern. Ja, es geht in dem gefeierten Theaterstück um Judenschelte, genauer um die unterschiedlichen Lebensanschauungen innerhalb einer jüdischen Familie.

Eingebettet in ein mit zunehmender Personenanzahl beengtem Apartment in New York mit Blick auf dem Hudson – im English Theatre wieder brillant in ein Bühnenbild verpackt – braut sich ein Familienstreit zusammen, der viele sonst bekannte Zwistigkeiten ums Erbe in den Schatten stellt. Jonah (seine Bühnenpräsenz ist trotz der verordneten Zurückhaltung erstaunlich: Cory Kahane), ein junger Mann, der gerne seine Ruhe hat und sich aus allem raushält, gehört das tolle Apartment, seine wohlhabenden Eltern haben es ihm gekauft. Doch von Ruhe ist nach der Beerdigung des Holocaustüberlebenden Großvaters Poppy keine Spur. Stattdessen versammeln sich nach und nach die drei Enkel, die unterschiedlicher nicht sein könnten, in Jonahs Wohnung. Daphna (Grandiose Furie: Eden Malyn) ist eine, wie sie sagen würde, gute Jüdin. Die Frau mit der wilden Wuschelmähne ist tief gläubig, da hält sie schon mal Moralpredigten und natürlich nennt sie sich nicht Diane, sondern nach ihrem hebräischen Namen. Der letzte im Bunde ist Liam (Wehe, wenn er über die Bühne fegt: Adam Silver). Er hat kein Problem damit, der “böse Jude” zu sein, gläubig ist er ohnehin nicht und nie im Traum würde er sich Shlomo nennen, wie Daphne ihn gern aufzieht. Aber Liam hat andere Prioritäten als Religion, er studiert lieber Japanologie und will sich mit der naiv wirkenden Blondine Melody (ganz wundervoll verkörpert von Stephanie Burden) verloben und benötigt dafür keinen Ring, sondern das Amulett, das “Chai”, des Großvaters. “Chai” bedeutet auf Hebräisch Leben. Poppy hatte das Amulett im KZ unter der Zunge getragen und es so auch herausgeschmuggelt. Daphna hängt daher an dem Schmuckstück. Und so entbrennt nicht nur ein Erbschaftsstreit, es herrscht ein Glaubenskrieg im Wohnzimmer und über allem schwebt die Frage, wie es um die eigene Identität so bestellt ist.

Etwas über 90 Minuten, ohne Pause, wirbeln die Darsteller der Ensemble Theatre Company of Santa Barbara über die Bühne und geben mit ihrem amerikanischen und nicht, wie sonst oft im English Theatre britischen Akzent, dem Stück die nötige Authentizität. Während Cory Kahane als Jonah oft dramaturgisch in den Hintergrund gedrängt wird und dennoch auf der Bühne besteht und in seiner ruhigen, aber wichtigen, Rolle bleibt, ist sehenswert. Fulminant aber ist die stürmische Eden Malyn, die sich buchstäblich mit Adam Silver in die Haare kriegt, brüllt und rot anläuft. Ja, da fühlt sich der Zuschauer wie ein Voyeur, der einer realen Szene beiwohnt. Während man anfangs der Daphna-Darstellerin abnimmt, das sittsame Mädchen zu sein, das sich zunehmend zur Nörglerin entwickelt, überzeugt sie später als Furie, die ihr Innerstes nach außen kehrt, deren Worte wie Gewehrsalven klingen und die nicht davor zurückschreckt, die Krallen auszufahren.Wenn Adam Silver mit ausladenden Bewegungen melodramatisch die Bühne überquert, dann kann das Publikum nicht umhin zu lachen.

Ein Streit, kann eben vor Allem für Außenstehende, sehr unterhaltsam sein. Das Publikum hat sich bei der Deutschlandpremiere im English Theatre jedenfalls fürstlich amüsiert, aber auch Stoff für anschließende Diskussionen gefunden.

Kulturfreak

17. May 2016 Von Markus Gründig

Bevor es in der kommenden Spielzeit beim English Theatre Frankfurt „Strictly British“ heißt, steht auch das letzte Stück der aktuellen Spielzeit unter dem Saisonthema „Have a Shot at the American Dream“. Bei Ayad Akhtars „Desgraced“, das bis vor wenigen Tagen auf dem Spielplan stand, ging es um einen Streit zwischen zwei amerikanischen Pärchen aus dem New Yorker Upper East Side Viertel und insbesondere um die Glaubenspositionen eines aufstrebenden Anwalts, der seinen islamischen Glauben der Karriere wegen verleugnet. 
Auch Joshua Harmons Komödie „Bad Jews“, die hier erstmals in Deutschland zu sehen ist, spielt in New York, auch hier steht eine Religion im Fokus. Als Pardon sozusagen, nun die jüdische. Doch ist die Religion nur ein Sinnbild, denn das Erstlingswerk Harmons behandelt die Frage, wer oder was macht einen guten, beziehungsweise einen schlechten, Menschen aus. Dazu werden aber auch weitere Themen angeschnitten, beispielsweise, wie man als Jude dem Thema Tätowierungen gegenübersteht (die entsprechende Stelle im 3. Buch Mose, Kapitel 19, Vers 28: „Ihr sollt um eines Toten willen an eurem Leibe keine Einschnitte machen noch euch Zeichen einätzen…“ wird ja sehr unterschiedlich interpretiert).

Die Produktion des English Theatre Frankfurt entstand in Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Ensemble Theatre Company von Santa Barbara, wo sie, mit gleicher Besetzung, in der zweiten Aprilhälfte diesen Jahres gezeigt wurde (und dort als die Produktion einging, die sich am schnellsten verkaufte). Für das Frankfurter Publikum bedeutet dies nicht nur eine Wiederbegegnung mit Regisseur Jonathan Fox („Who´s Afraid of Virginia Woolf“, „A Streetcar Named Desire“, „Cat on a Hot Tin Roof“ u.v.m.) sondern, nach längerer Pause, auch erneut in den Genuss eines amerikanischen Ensembles zu kommen (das natürlich mit entsprechendem amerikanischen Slang spricht).

Das Stück spielt an nur einem Abend in einer New Yorker Studentenbude. Die im Falle der Brüder Jonah und Liam aber eine recht feudale ist. Ihr Apartment ist nicht nur hochwertig eingerichtet, mitsamt schöner amerikanischer, also in das Wohnzimmer integrierter, Küche. Sie hat sogar einen Blick auf den Hudson River. Diesen zwar nur vom Bad aus, aber immerhin (Bühnenbild: Charlie Corcoran).
Hier treffen am Tag der Beerdigung des Großvaters Poppy drei Enkel aufeinander, einer bringt noch seine neue Freundin mit. Die Situation spitzt sich gekonnt von Minute zu Minute zu, bis es nach gut 100 Minuten (ohne Pause) zum großen Showdown kommt. Dabei geht es vor allem um ein Erbstück, das weniger einen materiellen, als einen immensen ideellen Wert hat: Ein Amulett in Form des jüdischen Chai-Symbols (bestehend aus hebräischen Buchstaben, die für „Leben“ stehen). Großvater Poppy hatte es während seiner Zeit im KZ zwei Jahre lang unter der Zunge versteckt gehalten und den Holocaust als einziger in der Familie überlebt.

Im Zentrum steht Daphne Feygenbaum, eine junge Frau (ohne Geschwister), die ihren jüdischen Glauben mitsamt der dazugehörigen Tradition extrem schätzt und würdigt. Ihr Name spielt auf die gleichnamige Nymphe der griechischen Mythologie an (im Stück wird der Figur vorgeworfen, ihre Beziehung nur erfunden zu haben). Die Figur ist sehr vielschichtig. Einerseits ist sie sehr aufgeschlossen, interessiert und modern, andererseits aber so sehr an konservative Werte verhaftet, dass sie ob ihrer Borniertheit von ihrem Cousin Liam glatt als Nazi bezeichnet wird. Zudem hat sie den meisten Text zu beherrschen. Eden Malyn gibt sie, mit mächtiger Haarmähne, großartig als böser Wolf im Schafspelz. Vordergründig äußerst aufgeschlossen und charmant, weiß sie nur zu gut mit spitzen Bemerkungen ihre Krallen auszufahren. Für den nicht karriereorientierten Cousin Liam ist sie ein absolutes No-Go. Adam Silver gibt ihn in seiner Anspannung und gefesselten Aggression ihr gegenüber, bravourös. Ist sie grade mal für kleine Mädchen, platzt die Wut mit Sprüngen und viel Gestik nur so aus ihm heraus. Stephanie Burden verleiht der lieben Melody aus Delaware, die einfach gestrickt ist und das Herz am rechten Fleck hat, ein anrührendes Bild. Klasse ihr „Summertime“ aus „Porgy and Bess“, das sie in bester Florence Foster Jenkins Manier vorträgt. Als ruhender Pol in der Mitte der streitenden Parteien, der für keinen Partei ergreifende Jonah (passend zurückhaltend: Cory Kahane).

Am Ende ist die Lage verzwickt, denn beide liefern gute Argumente, berechtigter Erbe des Amuletts zu sein. Nach einem kurzen, heftigen Streit gibt es keinen Sieger. Dafür aber sehr viel Applaus für die glänzende Deutschlandpremiere von „Bad Jews“

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